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Experimente zur Verwendung von Operatoren in Aufgabenstellungen im Fach Informatik

 

 Claudia Strödter, Michael Fothe

Fakultät für Mathematik und Informatik
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Ernst-Abbe-Platz 2
07743 Jena
claudia.stroedter | michael.fothe AT uni-jena.de

Zusammenfassung:
Aufgabenstellungen bestehen aus zwei verschiedenen Komponenten. Der konkrete Inhalt, der bereitgestellt, gefordert oder erarbeitet werden soll, wird in der Inhaltskomponente zusammengefasst. Die zweite Komponente, die Aufforderungskomponente, beinhaltet den Operator, der beschreiben soll, welche Tätigkeit und Lösungsdarstellung bei der Aufgabenbearbeitung erwartet wird. Die Erwartungshaltung, die Personen mit verschiedenen Operatoren verbinden, wurde in der vorliegenden Studie experimentell untersucht. Dabei zeigte sich, dass die Verwendung eines ganz bestimmten Operators häufig nicht zwingend ist, um die Anforderungen einer Aufgabe klar zu beschreiben.

Abstract:
Exercises consist of two components. The content-component includes the content, which is provided, demanded or should be acquired. The requirement-component includes a verb (in German: Operator), which describes the expected activity and the expected representation of the solution. This study investigated the expectations that persons connect with these verbs. It was shown, that it is mostly not necessary to use a single definite verb to describe the requirement of an exercise.

  1. Einleitung
  2. Operatorenlisten, kognitive Lernzielstufen und Struktur von Aufgabenstellungen
  3. Aufbau und Durchführung der Untersuchung
  4. Auswertung der Untersuchung
  5. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
  6. Referenzen

 

1  Einleitung

Mit Hilfe von Operatoren soll den Schülerinnen und Schülern[1] beim Bearbeiten von Aufgaben klar werden, welche Tätigkeiten und welche Lösungsdarstellung von ihnen erwartet werden. Damit soll möglichen Missdeutungen von Aufgabenstellungen entgegengewirkt werden (vgl. [Fo10], S. 155). In der Didaktik der Informatik wird derzeit diskutiert, welche Operatoren in zentral gestellten Abschlussarbeiten verwendet und wie die mit den Operatoren verbundenen Tätigkeiten und Darstellungsformen genau definiert werden sollen. Die Erstellung von Operatorenlisten erweist sich dabei als ein schwieriger und zeitaufwendiger Prozess.

Wörter können bekanntlich in unterschiedlichen Kontexten verschiedene Bedeutungen haben. Dies war bereits Aristoteles bekannt und auch heute noch wird dazu in der lexikalischen Semantik geforscht. "Bedeutungen werden […] als gesellschaftlich durchschnittliches Wissen aufgefaßt, das Mitglieder von Sprachgemeinschaften mit Lexikoneinheiten verbinden. Die sprachlich relevanten Kenntnisse regeln die Wortwahl ebenso wie das Wortverstehen. Sie variieren nicht nur von Individuum zu Individuum, sondern auch in Abhängigkeit von Kommunikationssituationen, von Ergebnis- und Geschehenstypen." (vgl. [Sc92], S. 141) Die aufgeführten Aspekte geben Hinweise darauf, dass ein bestimmter Arbeitsauftrag nicht bei allen Schülern die gleichen Handlungen auslösen muss. Selbst eine Aufgabenstellung, die in einer langen Vorbereitungsphase vom Lehrer gut durchdacht und entwickelt wurde, kann sich als missverständlich erweisen. Im Unterrichtsgeschehen und in tagtäglichen Leistungserhebungen können Missverständnisse durch Rückfragen beseitigt werden. Im Zusammenhang mit zentralen Abschlussprüfungen gestaltet sich dies schwieriger oder ist eventuell sogar unmöglich. Die Prüfungsteilnehmer werden mit Aufgabenstellungen konfrontiert, die sich mitunter von vertrauten Formulierungen unterscheiden. Um einheitliche Tätigkeiten und Lösungsdarstellungen zu gewährleisten, sollen sich diese Aufgaben an standardisierten Formulierungen orientieren. Aus diesem Grund wird der Einsatz von Operatoren in der Fachdidaktik und den zuständigen Bildungsinstitutionen derzeit stark diskutiert. Durch normatives Vorgehen wurden zahlreiche Operatorenlisten entwickelt (vgl. Abschnitt 2), die Lehrende bei der Formulierung von Aufgabenstellungen unterstützen sollen.

In der vorgestellten Studie werden reale Abituraufgaben aus dem Thüringer Zentralabitur (aus den Jahren 1997-2010) verwendet, um den Einsatz von Operatoren bei der Formulierung von Aufgabenstellungen experimentell zu untersuchen. Diese Vorgehensweise soll es ermöglichen, die Erwartungshaltung der Testpersonen bei verschiedenen Operatoren herauszufinden. Thüringen führte die gymnasiale Oberstufe mit dem Kurssystem im Jahr 1992 ein. Ein Zentralabitur im Grund- und Leistungsfach Informatik gab es seit Sommer 1994 [FM07]. Veränderungen an der gymnasialen Oberstufe führten dazu, dass ab Sommer 2011 zentrale Abiturprüfungen nur noch im Fach Informatik mit erhöhtem Anforderungsniveau stattfinden.

2  Operatorenlisten, kognitive Lernzielstufen und Struktur von Aufgabenstellungen

Das Streben nach mehr Vereinheitlichung und Standardisierung, was mit der Einführung von zentralen Abschlussprüfungen einhergeht, führte in mehreren Ländern zur Entwicklung von Operatorenlisten. Diese Listen enthalten Aufforderungsverben mit Begriffsklärungen, Beispielen und meistens einer Zuordnung zu den Anforderungsbereichen der EPA Informatik [Km04]. Die Listen sollen nach den Vorstellungen der Herausgeber Verwendung im Unterricht und in Prüfungen finden. Für das Fach Informatik wurden z.B. in Bremen[2] [Sb09], Hessen [Hk11], Niedersachsen [Nk11], Nordrhein-Westfalen [Ms07] und Sachsen[3] [Sk08] Operatorenlisten entwickelt. Zusätzlich existiert eine Operatorenliste in den EPA für berufliche Informatik [Km07][4]. Die Listen unterscheiden sich teilweise in den angegebenen Aufforderungsverben, in den Begriffsklärungen und in den Zuordnungen zu den Anforderungsbereichen. In allen genannten Listen sind zusammen immerhin 48 verschiedenen Operatoren angegeben[5]. Die am häufigsten aufgelisteten Operatoren sind: ANALYSIEREN, ANGEBEN/NENNEN, BEGRÜNDEN, BERECHNEN, BESCHREIBEN, BESTIMMEN, BEURTEILEN, DARSTELLEN, ENTWERFEN/ENTWICKELN, ERLÄUTERN, IMPLEMENTIEREN, MODELLIEREN, VERGLEICHEN und ZEICHNEN. Die zu diesen 14 Operatoren gehörenden Begriffsklärungen zeigen in den Listen häufig Übereinstimmung.

Nachfolgend wird es sich als hilfreich erweisen, sich auf die sechs kognitiven Lernzielstufen von Anderson/Krathwohl zu beziehen (siehe Tabelle 1) (vgl. [AK01]). Die Lernzielstufen beinhalten kognitive Prozesse, prozedurales Wissen sowie metakognitive Reflexion. Sie können somit genutzt werden, um zu erwartende Schülertätigkeiten zu kategorisieren.

Tabelle 1: Kognitive Lernzielstufen nach Anderson/Krathwohl
Kognitive Lernzielstufen
 L1  Erinnern: Relevantes Wissen aus dem Gedächtnis abrufen
 L2  Verstehen: Bedeutung/Relevanz von Wissen erkennen/ erläutern
 L3  Anwenden: Gelerntes in neuen Situationen anwenden
 L4  Analysieren: Material in seine konstituierenden Teile gliedern und ihre Wechselwirkungen bzw. ihre Beziehung zu einer übergeordneten Struktur bestimmen
 L5  Bewerten: Urteile auf der Basis von Kriterien und Standards fällen
 L6  (Er)Schaffen: Elemente zu einem neuen, kohärenten, funktionierenden Ganzen zusammenführen

Aufgabenstellungen setzen sich aus zwei Komponenten zusammen: der Aufforderungskomponente (Operator) und der Inhaltskomponente (konkrete Inhalte, die bereitgestellt, gefordert oder erarbeitet werden). Zusätzlich können Ergänzungen vorgenommen werden, die den Operator genauer beschreiben. Die Anforderung an die Schülertätigkeit und die Lösungsdarstellung können so qualitativ und quantitativ eingeschränkt werden (Anforderungskomponente). Desweiteren können Hilfestellungen oder Hinweise zur Bearbeitung der Aufgabenstellung eingebunden werden (Unterstützungskomponente)[6].

Tabelle 2: Komponenten einer Aufgabenstellung (die grau dargestellten Komponenten sind optional)
Aufforderungs-
komponente
Inhaltskomponente
Anforderungs-
komponente
konkreter
Inhalt
Unterstützungs-
komponente
Erläutern Sie unter Verwendung einer Skizze den Aufbau des Von-Neumann-Rechner-Modells. Nutzen Sie dazu den vorliegenden Begleittext.
Beschreiben Sie am Beispiel des Wortes "Informatik" ein monoalphabetisches Verschlüsselungs-
verfahren.
Stellen Sie Klarbuchstaben und Geheimbuchstaben in einer Tabelle gegenüber.

 

3  Aufbau und Durchführung der Untersuchung

Um den Einsatz von Operatoren genauer zu untersuchen, wurde im April 2011 eine Online-Befragung unter Experten hinsichtlich des Informatikunterrichts durchgeführt. Es wurden Personen befragt, die, in welcher Form auch immer, in ihrer Berufstätigkeit mit Operatoren zu tun haben und ggf. im täglichen Unterrichtsgeschehen auf die Verwendung von Operatoren wesentlichen Einfluss besitzen.

Der eingesetzte Online-Fragebogen[7] gliederte sich in drei Teile:

 

Teil 1: Betrachtung von der Aufgabe aus

Den Befragten wurden Aufgabenstellungen vorgelegt, bei denen die ursprünglich vorhandenen Operatoren entfernt waren. (Die Inhaltskomponente war dagegen weiterhin vorhanden.) Die Befragten sollten dann Operatoren so ergänzen, dass sinnvolle Aufgaben entstehen[8]. Von Interesse war, welche Operatoren ergänzt werden und wie ähnlich sich die entstandenen Aufgaben hinsichtlich der zu erwartenden Tätigkeiten und Lösungsdarstellungen sind.

 

Teil 2: Betrachtung von der Schülerlösung aus

Vollständige Schülerlösungen waren vorgegeben. Die Befragten sollten zu diesen passende Aufgabenstellungen entwickeln. Damit sollte untersucht werden, welchen Operator die Befragten mit der vorgegebenen Tätigkeit und Lösungsdarstellung verbinden.

 

Teil 3: Betrachtung vom Operator aus

Den Befragten wurden eine Aufgabenstellung und vier dazu inhaltlich passende Schülerantworten vorgelegt, die sich in der Darstellung der Lösung unterschieden. Sie sollten dann die Lösungsdarstellung der Schülerantworten bewerten. Die vorgegebene Aufgabenstellung enthielt den Operator ERLÄUTERN. Dessen Begriffsklärung ist in den Operatorenlisten vergleichsweise einheitlich. Es sollte überprüft werden, ob es bei den Teilnehmern der Befragung eine einheitliche Erwartungshaltung zur Lösungsdarstellung gibt.

 

Die Einladung zur Untersuchung wurde über E-Mail-Listen an potentiell Interessierte verteilt. Insgesamt beteiligten sich deutschlandweit 80 Personen (63 Informatiklehrer, 4 Lehramtsanwärter, 6 Fachdidaktiker und 7 weitere am Informatikunterricht Interessierte). Ein Großteil der Teilnehmer war in Thüringen (n=22) und Hessen (n=17) tätig. Aus allen weiteren Ländern nahmen jeweils höchstens acht Personen teil. Die vorliegende Untersuchung beruht nicht auf einer Zufallsstichprobe. Aus unserer Sicht kann bei einer Teilnehmerzahl von 80 Personen davon ausgegangen werden, dass die im Folgenden dargestellten Ergebnisse aufschlussreich für weitere Maßnahmen im Umgang mit Operatoren und der damit verbundenen Forderung nach mehr Vereinheitlichung und Transparenz sein können (vgl. [Sk08], S. 2).

4  Auswertung der Untersuchung

Betrachtung von der Aufgabe aus

In diesem Teil wurde untersucht, welche sinnvollen Aufgaben sich zu einer vorgegebenen Inhaltskomponente bilden lassen und zu welchen kognitiven Lernzielstufen (vgl. Tabelle 1) die entstandenen vollständigen Aufgaben gehören. In Tabelle 3 wird dazu ein Überblick gegeben; anschließend wird eine genauere Betrachtung an vier Beispielen durchgeführt.

Tabelle 3: Verwendete Operatoren und kognitive Lernzielstufen, die den entstandenen Aufgaben zuzuordnen sind
Aufgabe Vorgegebene Inhaltskomponente Anzahl ergänzter
Operatoren
Kognitive
Lernziel-
stufen
 1a  ...für diesen Algorithmus je eine Wertbelegungstabelle aller Variablen für die Eingaben a = 5 , b = 3 sowie a = 7, b = 12...  13    (N=75)   L3
 1b  ...was der Algorithmus leistet...  11    (N=73)   L4
 2a  ...beide Programme in einer von Ihnen gewählten Programmiersprache...  12    (N=77)   L6
 2b  ...Iteration und Rekursion...
Beziehen Sie sich dabei auf die beiden Programme.
 13    (N=73)   L1, L4
 3a  ...bei der Funktion/Methode f um eine rekursive Funktion/Methode handelt...  15    (N=73)   L5
 3b  ...die Werte f(3), f(9), f(8), f(-12) und f(-7)...  9     (N=74)   L3
 3c1  ...Eigenschaften eines Algorithmus ... und  13    (N=62)   L1
 3c2  ...diese Eigenschaften von der Funktion/Methode f erfüllt werden.  9     (N=48)   L5
 4a  ...einen Algorithmus, der einen möglichst kurzen horizontalen Gesamtweg des Bohrkopfes...  13    (N=75)   L1, L3, L6
 4b  Es sollen Leiterplatten mit 2000 Löchern hergestellt werden. ...sich der von Ihnen entworfene Algorithmus auch dafür eignet.  15    (N=75)   L5
 5  ...die folgende These...: Jedes Problem, das sich präzise beschreiben lässt, kann mit einem Computer gelöst werden.  18    (N=63)   L2, L5

Dies ermöglicht ein erstes Fazit: Für eine bestimmte Inhaltskomponente ist ein bestimmter Operator keinesfalls zwingend, was eigentlich nicht verwundert. Vielmehr ist es bemerkenswert, dass die verwendeten Operatoren zu Aufgaben führen, die häufig den gleichen kognitiven Lernzielstufen angehören. Nachfolgend wird dies anhand der Aufgaben 1a, 1b, 4a und 5 genauer betrachtet. Mit der Auswahl gerade dieser Aufgaben wird eine inhaltliche Bandbreite angestrebt. Alle kognitiven Lernzielstufen sind vertreten.

Aufgabe 1a

Als Inhaltskomponente ist vorgegeben: "… für diesen Algorithmus je eine Wertbelegungstabelle aller Variablen für die Eingaben a = 5, b = 3 sowie a = 7, b = 12…". Die Teilnehmer an der Befragung ergänzten immerhin 13 verschiedene Operatoren (siehe Abb. 1). Dabei entstanden stets sinnvolle Aufgaben:

Erzeugen Sie für diesen Algorithmus je eine Wertbelegungstabelle aller Variablen für die Eingaben a = 5, b = 3 sowie a = 7, b = 12.
Erstellen Sie für diesen Algorithmus je eine Wertbelegungstabelle aller Variablen für die Eingaben a = 5, b = 3 sowie a = 7, b = 12.
Ermitteln Sie für diesen Algorithmus je eine Wertbelegungstabelle aller Variablen für die Eingaben a = 5, b = 3 sowie a = 7, b = 12.
Entwerfen Sie für diesen Algorithmus je eine Wertbelegungstabelle aller Variablen für die Eingaben a = 5, b = 3 sowie a = 7, b = 12.
Führen Sie diesen Algorithmus für die Eingaben a = 5, b = 3 sowie a = 7, b = 12 durch und geben Sie eine Wertebelegungstabelle aller Variablen an.
Bestimmen Sie für diesen Algorithmus je eine Wertbelegungstabelle aller Variablen für die Eingaben a = 5, b = 3 sowie a = 7, b = 12.
Berechnen Sie für diesen Algorithmus je eine Wertbelegungstabelle aller Variablen für die Eingaben a = 5, b = 3 sowie a = 7, b = 12.
Füllen Sie für diesen Algorithmus je eine Wertbelegungstabelle aller Variablen für die Eingaben a = 5, b = 3 sowie a = 7, b = 12 aus.
Schreiben Sie für diesen Algorithmus je eine Wertbelegungstabelle aller Variablen für die Eingaben a = 5, b = 3 sowie a = 7, b = 12 auf.
Legen Sie für diesen Algorithmus je eine Wertbelegungstabelle aller Variablen für die Eingaben a = 5, b = 3 sowie a = 7, b = 12 an.
Geben Sie für diesen Algorithmus je eine Wertbelegungstabelle aller Variablen für die Eingaben a = 5, b = 3 sowie a = 7, b = 12 an.
Fertigen Sie für diesen Algorithmus je eine Wertbelegungstabelle aller Variablen für die Eingaben a = 5, b = 3 sowie a = 7, b = 12 an.
Leiten Sie für diesen Algorithmus je eine Wertbelegungstabelle aller Variablen für die Eingaben a = 5, b = 3 sowie a = 7, b = 12 ab.

Im Zusammenhang mit der vorgegebenen Inhaltskomponente kann bei allen 13 Aufgaben davon ausgegangen werden, dass der Schüler durch Nachvollziehen des Algorithmus die beiden Wertetabellen angibt (L3: Anwenden). In diesem konkreten Fall können verschiedene Operatoren verwendet und untereinander ersetzt werden, ohne dass sich Tätigkeit und Lösungsdarstellung verändern.

Abbildung 1: Verwendete Operatoren in Aufgabe 1a

 

Aufgabe 1b

Als Inhaltskomponente ist vorgegeben: "… was der Algorithmus leistet…". Zur Vervollständigung der Aufgabenstellung verwendeten die Befragten elf verschiedene Operatoren (vgl. Abb. 2). Es entstanden jeweils sinnvolle Aufgaben, die sämtlich zur kognitiven Lernzielstufe 4 (L4: Analysieren) gehören. Die verwendeten Operatoren BESCHREIBEN, ERLÄUTERN, ERÖRTERN, ERKLÄREN und WIEDERGEBEN ziehen eine textbasierte Lösungsdarstellung nach sich. Durch Einsetzen von NENNEN, ANGEBEN und VERMUTEN kann sich die Lösung auf den Begriff "Produkt" beschränken. Eine rechnerische Lösungsdarstellung ist bei ZEIGEN, ERMITTELN und UNTERSUCHEN zu erwarten.

Abbildung 2: Verwendete Operatoren in Aufgabe 1b

 

Aufgabe 4a

Als Inhaltskomponente ist vorgegeben: "… einen Algorithmus, der einen möglichst kurzen horizontalen Gesamtweg des Bohrkopfes…". Zur Vervollständigung der Aufgabenstellung verwendeten die Befragten 13 verschiedene Operatoren, die auch wieder zu sinnvollen Aufgaben führen (vgl. Abb. 3). Der Operator NENNEN fordert die Schüler lediglich auf, sich an ein Verfahren zu erinnern (L1: Erinnern). Die anderen Operatoren ergeben Aufgaben, die zumindest ein Anwenden (L3: Anwenden) oder sogar ein Erschaffen (L6: (Er)Schaffen) nach sich ziehen. Die Einordnung in die kognitiven Lernzielstufen 3 oder 6 ist von den Vorkenntnissen abhängig und wird weniger durch den Operator beeinflusst. Die Lösungsdarstellung kann je nach Operator verschieden sein. Die Operatoren BESCHREIBEN, ERLÄUTERN und FORMULIEREN ziehen eine textbasierte Darstellung nach sich, während IMPLEMENTIEREN eine Darstellung in Form eines Quelltextes fordert. Bei allen weiteren Operatoren sind neben den bereits genannten Darstellungen z.B. Struktogramme und Programmablaufpläne denkbar.

Abbildung 3: Verwendete Operatoren in Aufgabe 4a

 

Aufgabe 5

Als Inhaltskomponente ist vorgegeben: "… die folgende These …: Jedes Problem, das sich präzise beschreiben lässt, kann mit einem Computer gelöst werden." Die Teilnehmer an der Befragung ergänzten 18 verschiedene Operatoren (vgl. Abb. 4). Sieht man sich die entstehenden Aufgaben an, so fällt auf, dass im Grunde genommen vom Schüler immer das Gleiche verlangt wird. Das mag an dem Wort These in der vorgegebenen Inhaltskomponente liegen, das die Vermutung nahelegt, dass die angegebene Aussage widerlegt oder bestätigt werden soll. Alle entstandenen Aufgabenstellungen haben eines gemein: Die Schüler sollen sich kritisch mit der angegebenen These beschäftigen und auf Grundlage ihres Wissens zu einem Urteil gelangen (L5: Bewerten oder bei umfassenden Vorkenntnissen[9] L2: Verstehen). Die Operatoren BELEGEN und BEWEISEN setzen ein positives Urteil voraus und würden in einem anderen Kontext die Aufgabenstellung vereinfachen; für dieses Beispiel erscheinen sie jedoch ungeeignet. Es bleiben 16 Aufgabenstellungen übrig, deren genaue Lösungsdarstellung sicher von dem jeweiligen Operator und noch stärker von den Vorerfahrungen der Schüler abhängig ist. Wahrscheinlich ist eine in Textform dargestellte Entscheidungsfindung unter Einbeziehungen von Beispielen.

Abbildung 4: Verwendete Operatoren in Aufgabe 5

 

Dies alles ermöglicht ein zweites Fazit: Häufig kann in einer Aufgabenstellung ein Operator durch einen anderen ersetzt werden, ohne dass sich an der zu erwartenden Tätigkeit und Lösungsdarstellung etwas ändert. Die Inhaltskomponente lässt den Operator mitunter nachrangig erscheinen.

Betrachtung von der Schülerlösung aus

Im zweiten Teil wurde untersucht, welche Operatoren die Befragten mit einer vorgegebenen Tätigkeit bzw. Lösungsdarstellung verbinden. In offenen Antwort-Feldern wurden zu vorgegebenen Schülerlösungen konkrete Aufgabenstellungen erhoben.

Schülerlösung 1

In der Lösungsdarstellung (vgl. Abb. 5) wird ein monoalphabetisches Verschlüsselungsverfahren erläutert (L1: Erinnern) und dessen Sicherheit beurteilt (L5: Bewerten oder bei umfassenden Vorkenntnissen[10] L2: Verstehen). Diese beiden Inhaltskomponenten wurden von den Befragten meist (n=62, N=69) in zwei verschiedenen Aufgabenstellungen formuliert. Zunächst wird auf die Aufgabenstellung mit der ersten Inhaltskomponente (das Verfahren) eingegangen.

Abbildung 5: Vorgegebene Schülerlösung 1

 

Die Befragten verwendeten bei der Aufgabenformulierung sieben verschiedene Operatoren (vgl. Abb. 6). Alle angegebenen Aufgabenstellungen lassen sich der kognitiven Lernzielstufe 1 (L1: Erinnern) zuordnen. Die mit Abstand häufigsten sind:

Erläutern Sie ein Verschlüsselungsverfahren...
Beschreiben Sie ein Verschlüsselungsverfahren...

Die Aufgabenstellungen unterscheiden sich auch im Bereich der Anforderungskomponente. Von den Befragten gaben 25 in ihrer Aufgabenstellung an, dass ein Beispiel verwendet werden soll. Diese zusätzliche Komponente liefert einen deutlichen Hinweis auf die erwartete Lösungsdarstellung.

Abbildung 6: Verwendete Operatoren bei der Aufgabenformulierung zur Schülerlösung 1a

 

Zum Abfragen der zweiten Inhaltskomponente (Sicherheit) wurden von den Befragten 18 verschiedene Operatoren verwendet (vgl. Abb. 7). Die entstandenen Aufgabenstellungen können alle der kognitiven Lernzielstufe 5 (L5: Bewerten) zugeordnet werden.Typische Formulierungen sind:

Beurteilen Sie die Sicherheit des Verfahrens.
Gehen Sie auf die Sicherheit des Verfahrens ein.

Es werden keine optionalen Komponenten angegeben. Die vorgegebene textbasierte Lösungsdarstellung kann bei der Verwendung aller 18 Operatoren erwartet werden (die Frage wird nicht mitgezählt).

Abbildung 7: Verwendete Operatoren bei der Aufgabenformulierung zur Schülerlösung 1b

 

Schülerlösung 2

In diesem Untersuchungsabschnitt wurde ein Struktogramm als Schülerlösung einer unbekannten Aufgabenstellung vorgegeben (vgl. Abb. 8). Das Struktogramm beschreibt ein einfaches Verfahren zum Verschlüsseln von Texten (Geheimtext ist der rückwärts aufgeschriebene Klartext). Der Schüler hat also einen Algorithmus entwickelt und in geeigneter Weise dargestellt (L6: (Er)Schaffen).


Abbildung 8: Schülerlösung 2

 

Alle entstandenen Aufgabenstellungen können der kognitiven Lernzielstufe 6 (L6: (Er)Schaffen) zugeordnet werden. Zur Aufgabenformulierung wurden 12 verschiedene Operatoren verwendet (vgl. Abb. 9). Die Aufgabenstellungen unterscheiden sich neben der Aufforderungskomponente auch im Bereich der Inhaltskomponente. Ein Teil der Befragten (n=34) formulierte eine Aufgabenstellung, in der das Wort "Struktogramm" explizit genannt wird. Die Lösungsdarstellung wird durch diese Anforderungs- bzw. Unterstützungskomponente eindeutig festgelegt. Der verwendete Operator hat bei diesen Aufgabenstellungen kaum Einfluss auf die Lösungsdarstellung. Die restlichen Aufgabenstellungen (n=32) enthielten keine zusätzliche Komponente.

Abbildung 9: Verwendete Operatoren bei der Aufgabenformulierung zur Schülerlösung 2

 

Die Beispiele aus dem zweiten Teil verdeutlichen, dass trotz vorgegebener Tätigkeit und Lösungsdarstellung keine eindeutige Zuordnung zu einem bestimmten Operator erreicht wird. Vielmehr ergeben sich viele sinnvolle Aufgabenstellungen, die die vorgegebenen Formulierungen als Lösung haben können. Durch eine Anforderungs- bzw. Unterstützungskomponente kann die Lösungsdarstellung konkretisiert werden. Dies bestärkt das zweite Fazit, dass in einer Aufgabenstellung ein Operator durch einen anderen ersetzt werden kann, ohne etwas an der zu erwartenden Tätigkeit bzw. Lösungsdarstellung zu ändern. Konkrete Erwartungen zur Tätigkeit und zur Lösungsdarstellung lassen sich eher mithilfe einer Anforderungs- und Unterstützungskomponente ausdrücken.

Betrachtung vom Operator aus

In diesem Teil wurde untersucht, welche Lösungsdarstellung die Teilnehmer an der Befragung im Zusammenhang mit dem Operator ERLÄUTERN erwarten. Den Befragten wurde die Aufgabenstellung: "Vor rund fünfzig Jahren erarbeitete John von Neumann ein später nach ihm benanntes Rechnermodell. Dieses Modell beschreibt auch heute noch die grundlegende Arbeitsweise eines PC. Erläutern Sie das Von-Neumann-Rechnermodell!" und verschiedene Antwortmöglichkeiten vorgegeben. Sie bewerteten anschließend die vier Schülerlösungen hinsichtlich ihrer Erwartungen mit "++" (die Darstellungsform der Lösung kommt Ihren Erwartungen am nächsten), "+", "-" und "--" (die Darstellungsform der Lösung entspricht Ihren Erwartungen am wenigsten). Die Antwortmöglichkeiten unterschieden sich lediglich in der Darstellung:

Schülerantwort 1: Die Inhalte werden in Form von Stichpunkten angegeben.

Schülerantwort 2: Die Inhalte werden in vollständigen Sätzen mit eigenen Worten wiedergegeben.

Schülerantwort 3: Die Inhalte werden ausschließlich durch eine grafische Darstellung verdeutlicht.

Schülerantwort 4: Die Inhalte werden durch vollständige Sätze und eine unterstützende Skizze verdeutlicht.

Alle Antwortmöglichkeiten erfüllen die Definition von ERLÄUTERN, einen Sachverhalt nachvollziehbar und verständlich darzustellen. Welche Lösungsdarstellungen die Befragten am ehesten erwarten, ist in Tabelle 4 dargestellt.

Tabelle 4: Lösungsdarstellungen zum Operator ERLÄUTERN
  ++ + - --
Schülerantwort 1 2 7 23 44
Schülerantwort 2 43 19 11 2
Schülerantwort 3 15 21 23 17
Schülerantwort 4 16 29 15 9

Jede Schülerantwort besitzt ihre Befürworter, auch wenn mehrheitlich die Darstellung in vollständigen Sätzen mit eigenen Worten bevorzugt und die Darstellung in Form von Stichpunkten abgelehnt wird. Es lässt sich das folgende dritte Fazit ableiten: Am Informatikunterricht Interessierte besitzen individuelle Präferenzen in der Art der Lösungsdarstellung.

5  Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Als Resümee soll festgestellt werden, dass die Verwendung eines ganz bestimmten Operators in einer Aufgabe häufig nicht zwingend ist, um Anforderungen im Unterricht und in Prüfungen klar zu beschreiben. Bei der Aufgabenkonstruktion kann man bei der Operatorauswahl innerhalb einer gewissen Bandbreite wählen und (im Sinne der Operatorenlisten) einen eigentlich falschen Operator verwenden; die Studie liefert Hinweise darauf, dass der Schüler dadurch dennoch nicht fehlorientiert wird. Die Inhaltskomponente übt eine Dominanz aus und lässt die Aufforderungskomponente (Operator) nachrangig werden. Mögliche Zweifel im Vorfeld, ob Schüler eine Aufgabe wirklich richtig verstehen, werden am besten durch das Ergänzen von Anforderungs- bzw. Unterstützungskomponenten ausgeräumt.

In den Antworten der Teilnehmer an der Befragung wird eine beträchtliche Vielfalt sichtbar (auch wenn es regelmäßig bevorzugte Antworten gibt, die von vielen Teilnehmern gegeben wurden). Daher wird man wohl damit leben müssen, dass die ganz große Vereinheitlichung im Gebrauch von Operatoren nicht erreichbar ist. Sie scheint aber auch gar nicht erforderlich zu sein. Die Forderung, durch Operatorenlisten eine Vereinheitlichung und Standardisierung zu erreichen, ist im Rahmen zentraler Abschlussprüfungen nachvollziehbar. Im Rahmen der Prüfungsvorbereitung ist das Lesen und Verstehen von zentral gestellten Aufgaben zu üben. Die Schüler müssen dabei erfassen, was wirklich von ihnen verlangt wird. In diesem Kontext sind Operatoren im Unterricht in sinnvoller Weise zu thematisieren. Eine Operatorenliste sollte dabei als ein Hilfsmittel angesehen werden und nicht etwa als ein zentraler Gegenstand des Informatikunterrichts.

Referenzen

[AK01]    Anderson, L. W.; Krathwohl, D.R. (Hrsg.): A taxonomy for learning, teaching, and assessing: a revision of Bloom's taxonomy of educational objectives. 4. Auflage, Longman Verlag, New York, 2001.
[FM07]   Fothe, M.; Moldenhauer, W.; Thiele, O.: Von der Komplexität eines Zentralabiturs - Thüringer Erfahrungen im Grund- und Leistungsfach Informatik. In: LOG IN, 27. Jg. (2007), H. 148/149, S. 25-31.
[Fo10]   Fothe, M.: Kunterbunte Schulinformatik - Ideen für einen kompetenzorientierten Unterricht in den Sekundarstufen I und II. LOG IN Verlag, Berlin 2010.
[Hk11]   Hessisches Kultusministerium (Hrsg.): Operatoren in den Fächern des Fachbereiches III. Abgerufen von
http://www.hessen.de/irj/ HKM_Internet?cid=78d3e8a0e5024326a7ed34a7a4f6ec5f.
[Km04]   Kultusministerkonferenz (Hrsg.): Einheitliche Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung: Informatik. Luchterhand Verlag, München. 2004.
[Km07]   Kultusministerkonferenz (Hrsg.): Einheitliche Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung: Berufliche Informatik. Luchterhand Verlag, München. 2007.
[Ms07]   Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Informatik - Übersicht ü ber die Operatoren. Abgerufen von
http://www.standardsicherung.nrw.de/ abitur-gost/fach.php?fach=15.
[Nk11]   Niedersächsisches Kultusministerium (Hrsg.): Liste der Operatoren für das Fach Informatik. Abgerufen von
http://www. nibis.de/nli1/gohrgs/operatoren/operatoren_ab_2010_2011/operatoren_informatik.pdf.
[Sb09]   Senatorin für Bildung und Wissenschaft - Freie Hansestadt Bremen (Hrsg.): Informatik - Bildungsplan für die Gymnasiale Oberstufe (Qualifikationsphase). Abgerufen von
http://www.lis.bremen.de/sixcms/media.php/13/ INF_GyQ_2009.pdf.
[Sc92]   Schippan, T.: Lexikologie der deutschen Gegenwartssprache. Niemeyer-Verlag, Tübingen 1992.
[Sk08]   Staatsministerium für Kultus - Sachsen (Hrsg.): Verwendung ausgewählter Operatoren in Aufgabenstellungen - Klassenstufen 5 bis 10 Mittelschule. Abgerufen von
http://www.bildung. sachsen.de/schule/download/download_smk/operatoren_ms_2008.pdf.
[Th06]   Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien (Hrsg.): Materialien zur Implementierung der Thüringer Schulordnung - Orientierung zur Differenzierung im Unterricht. Abgerufen von
http://www.lernkompetenz.th.schule.de/doc/ThILLM%20Heft%20Orientierung%20zur%20Differenzierung%20im% 20Unterricht.pdf.

Alle angegebenen Internetquellen wurden zuletzt am 12. März 2012 geprüft.

Endnoten

[1]   Im Folgenden wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit die grammatikalisch männliche Form verwendet. [zurück]
[2]   Die Operatorenlisten von Bremen und Nordrhein-Westfalen stimmen überein. [zurück]
[3]    Mittelschule Kl. 5-10. [zurück]
[4]   Weitere Listen finden sich u.a. in Lehrerhandreichungen, Fachdidaktik-Veröffentlichungen und Abitur- bzw. Prüfungstrainern. [zurück]
[5]    Operatoren, die in den Listen synonym verwendet wurden, wurden als ein Operator gezählt (z.B. ANGEBEN/NENNEN). [zurück]
[6]   Die Erarbeitung der Komponenten erfolgte in Anlehnung an [Th06]. [zurück]
[7]   Eine Druckversion des Online-Fragebogens kann unter der folgenden URL abgerufen werden:
http://www.informatica-didactica.de/cmsmadesimple/uploads/Artikel/StroedterFothe2012/FragebogenOperatoren.pdf.
[zurück]
[8]   Beim Ausfüllen des Online-Fragebogens war die Verwendung einer Operatorenliste möglich, wurde aber nicht vorausgesetzt. [zurück]
[9]   Diese Vorkenntnisse wurden bspw. durch eine ausführliche Besprechung des Themas im Unterricht erworben. [zurück]
[10]   Diese Vorkenntnisse wurden bspw. durch eine ausführliche Besprechung des Themas im Unterricht erworben. [zurück]

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